Jugendvorstand informiert: Wie kleine Kinder von Borsigwalde nach Hermsdorf verschoben werden. Berliner Fußballverband: „Unschöner Vorgang“
18. Juni 2021. Das übliche Wechseltheater im Sommer?
Das sehen wir in diesem Fall anders. Es geht um elf Spieler des Jahrgangs 2013. Die meisten können sich noch nicht einmal die Schnürsenkel selbst binden. Spielen Minifußball auf vier Tore, ohne Tabelle und Ergebniswertung. Elf kleine Kinder, die glücklich waren auf dem Sportplatz um die Ecke. Elf Mini-Kicker, über deren sportliche Zukunft andere entschieden haben. Von deren Trainern wir am 30. Mai erfahren haben, dass sie den SC Borsigwalde verlassen – und fortan sollten elf Kinder (möglichst sogar alle 15) zum VfB Hermsdorf verschoben werden. Elf Knirpse waren also weg, die dann bereits eine Woche später auf dem Hermsdorfer Sportplatz trainierten. Ohne, dass bis dahin mal einer der Verantwortlichen aus Hermsdorf mit uns gesprochen oder uns informiert hätte.
Was das Ganze mit einer Resolution zum Wechsel im Jugendfußball, initiiert vom Berliner Fußball-Verband (BFV), zu tun hat – und welche Rolle die Reinickendorfer Jugend AG dabei spielt; warum ein solcher Verein sich jetzt auch noch als Opfer gibt und jetzt einen „Ehrenkodex“ fordert – all das macht diese Geschichte zu einem wohl einmaligen Fall im Reinickendorfer Jugendfußball. Für das Präsidialmitglied Jugend des BFV, also den obersten Funktionär im Berliner Jugendfußball, ist es ein „unschöner Vorgang“. Er gab ihn ans BFV-Präsidium und den geschäftsführenden Jugendausschuss weiter.
Aber der Reihe nach.
Der Fall: Die beiden Trainer der 2.F-Jugend (zwei Spielerväter) gaben uns frühzeitig die Zusage für die neue Saison. Erneuerten diese mehrfach, auch noch im Mai. Wir waren zufrieden mit ihrer Arbeit, das Team war integriert, unsere Bedingung allein seit längerem: Einer von Euch muss jetzt auch mal einen Trainerschein machen… Auch die Elternschaft ging nach einem Elternabend in der zweiten Maiwoche von einer neuen Saison in Borsigwalde aus. Am 30. Mai dann der Anruf: Man habe es sich anders überlegt. Man suche „eine neue Herausforderung“. Bis zum Tag danach ist die Rede davon, man habe „zwei Angebote“ – und „überlege noch“. Schnell aber wird aber klar: Die Wahrheit ist längst kein hohes Gut mehr, die Reise geht nach Hermsdorf. Die Spieler nimmt man mit. Und nutzt ein in dieser Altersklasse bekanntes Phänomen: Die Eltern machen das, was der Trainer sagt. Man ist ja ein verschworener Haufen. Ein Zitat aus der Elterngruppe, von einem Spielervater, zeigt aber, dass das nicht so problemlos verlief: „Am Ende leiden für mich bei diesem Thema die Kinder, die Eltern und schlussendlich der Sport selbst – und das in diesen bewegten Zeiten. Kinder, die aus dem freundschaftlichen Gefüge gerissen werden und Eltern, die ihre Logistik umstellen müssen (…) Ob wir nun bleiben oder gehen, wird mein Sohn entscheiden. Bedauerlich, dass er dies muss…“ Auch unserer Sicht wird hier ein (Gruppen-)Druck aufgebaut, der konträr zu allem ist, was derzeit auch vom DFB zum Thema Reformen im Kinderfußball verbreitet wird.
Der weitere Ablauf: Einer der beiden Trainer entschuldigt sich mehrfach beim SC Borsigwalde. Die Art und Weise, das wisse er, sei stillos dem Verein gegenüber, für den er auch selbst mal gekickt hat – aber nun sei es halt so. Der zweite Trainer sei der Initiator, er folge ihm aber. Dieser zweite Trainer hatte am 30. Mai den Anruf beim Jugendleiter getätigt und auf dessen Einwand, er habe doch bereits zugesagt und das jetzige Vorgehen sei charakterschwach, lapidar geantwortet: „Manchmal ändert man halt seine Pläne.“ Der VfB Hermsdorf in Person des Jugendleiters schreibt zu dem Vorgang: „Die betreffenden Trainer baten den Vorstand schon vor längerer Zeit um ein Vorstellungsgespräch. Dieses konnte aus organisatorischen Gründen erst am 26.05.2021 stattfinden. Über eine verbindliche Zusage der Trainer für die Saison 2021/22 beim SC Borsigwalde war uns nichts bekannt.“ Im Klartext: Man habe nicht abgeworben. Trainer und Mannschaft sind zugelaufen. Jugendleiter Hermsdorf: „Zum Thema hinzuzufügen ist, dass es bei Abgängen von Trainern die Regel ist, dass ein Teil der Mannschaft ebenfalls den Verein verlässt, um die Möglichkeit wahrzunehmen sich neu zu orientieren.“ Fehlte nur noch der Begriff Herausforderung – und wir hätten gedacht, es ginge hier um Profi- und nicht um Minifußball.
Der „Dialog“ mit dem VfB Hermsdorf: Der SC Borsigwalde bat am 1. Juni um Stellungnahme. Ja, wir werden recht schnell sehr deutlich, zeigen auch mögliche Hintergründe auf. Aus unserer Sicht spielt ein neues Jugendvorstandsmitglied des VfB, der auch eine Fußballschule betreibt, hier eine zentrale Rolle. Der Geschäftsführer des Vereins schreibt: „Bevor wir uns positionieren, müssen wir die Vorwürfe jedoch zunächst vereinsintern eruieren.“ Einen Tag später gab es noch ein 30minütiges Telefonat mit dem Geschäftsführer auf unsere Initiative hin – das war`s. Heute wirft uns Hermsdorfs Jugendleiter vor, wir hätten nicht anständig kommuniziert. Man hätte sich gewünscht, wir hätten früher das persönliche Gespräch gesucht. Sorry, wer redet hier eigentlich nicht mit wem beim VfB Hermsdorf?
Wie hält es eigentlich der SC Borsigwalde mit Spielerwechseln? Keine Frage, Borsigwaldes Beliebtheitswerte in Reinickendorf haben gelitten, je sportlich erfolgreicher wir wurden. Aber wir bekommen neben Neid auch viel Respekt zu spüren – von fairen Konkurrenten, in erster Linie möchte ich hier die Füchse nennen. Die uns in Sachen Strahlkraft und Erfolg noch weit voraus sind – weshalb wir oft und bereitwillig Spieler abgeben, die dort höherklassig spielen können. Aber: Aus dem einstigen „Selbstbedienungsladen“ Borsigwalde, der für andere ausgebildet hat, ist selbst eine selbstbewusste Adresse geworden. Es gibt viele Zugänge – und bei uns ist klar: kein Geld im Jugendfußball! Vergangenen Sommer haben wir an vier Vereine jeweils größere Spielergruppen abgegeben– aber es handelte sich um Regionalligisten und ein Nachwuchsleistungszentrum. Wechsel aus sportlichen Gründen also – für uns nachvollziehbar. Nochmal: In dem Fall mit Hermsdorf geht es um die Kinder, die ihre erste Abschlusstabelle in zwei Jahren lesen werden…. Für uns selbst gilt: Fremde Spieler unterhalt des D-Jugendbereichs interessieren uns nicht. Wie wir in den Altersklassen ab dann verfahren, zeigt dieser Fall mit Hermsdorf: Hier haben wir bereits am 10. April eine Liste mit sechs Namen (verschiedene Jahrgänge) an die sportliche Führung verschickt. Man möge unsere Kontaktdaten weitergeben. Das war`s, ein üblicher Vorgang. Es kommt vor, dass auch zu uns Gruppen von Spielern kommen – aber sie kommen ausschließlich wegen der Spielklasse. In diesem Frühjahr war das mit sechs Akteuren aus Hohen Neuendorf der Fall. Sie wollten sich den „Traum Verbandsliga“ erfüllen – Hohen Neuendorf war deshalb sauer auf Borsigwalde. Aber nochmal: D-Jugend, Verbandsliga – für uns ein normaler Vorgang, zumal wir den abgebenden Verein zwei Tage nach der Zusage der Trainer angerufen haben. Ein F-Jugendspieler sollte unserer Ansicht nach nicht den Verein wechseln, bei dem er zum Sportplatz laufen kann. Im Konfliktfall mit Hermsdorf haben wir dennoch einen Kompromiss vorgeschlagen: Belasst es bei 4 bis 5 Spielern als „normalen“ Wechsel – und der Fall ist für uns abgehakt. Keine Reaktion auf das Angebot. Hermsdorf scheint sich verrannt zu haben.
Und dann gibt es noch diese Resolution. Papier ist geduldig, das kann man mal wieder festhalten. Die Resolution – vom BFV ausgearbeitet, über die Jugend AG`s forciert. Unterzeichnet von 12 Vereinen aus Reinickendorf. Auch vom SC Borsigwalde und vom VfB Hermsdorf. Darin heißt es unter anderem: „An erster Stelle steht das Kindswohl.“ Von einem Weggang vom Heimatverein solle „bis mindestens zum 13. Lebensjahr“ (also D-Jugend) Abstand genommen werden“. Zum Thema „Mitziehen ganzer Mannschaften“ heißt es, das habe „nach dem Willen der unterzeichnenden Vereine zukünftig zu unterbleiben (…) Die unterzeichnenden Vereine fühlen sich den Grundsätzen der Fairness im besonderen Maße verpflichtet (…).
Ganz klar geschrieben steht: „Sollte der Fall eintreten, dass erkennbar mehr Eintritte, als allgemein üblich zu verzeichnen sind, verpflichtet sich der aufnehmende Verein, grundsätzlich eine restriktive Haltung einzunehmen und in jedem Fall eine einvernehmliche Lösung mit dem abgebenden Verein zu finden.“ Der VfB Hermsdorf hat diese Resolution am 23.09.2019 unterschrieben – und all dies in unserem Fall unterlassen. Nun schreibt der Jugendleiter des Vereins mit Hinweis auf den Konflikt mit Borsigwalde aktuell in den Mail-Verteiler der Jugend AG: „Aus unserer Sicht macht die Erarbeitung eines „Ehrenkodex“ oder die Ausarbeitung der bestehenden Resolution des Berliner Fußball-Verbandes angepasst für die Reinickendorfer Jugend AG absolut Sinn, damit es zukünftig zu keinen Missverständnissen kommt und alle Vereine als gute Partner zusammenarbeiten können.“ Ehre? Ehrenkodex? Wir halten das für absurd. Es stellen sich bei uns ähnliche Gefühle ein wie in den Momenten, wo Fifa-Boss Gianni Infantino über Integrität und Fairplay redet.
Welche Rolle spielt die Reinickendorfer Jugend AG? Irritierend, aber nicht überraschend, ist für uns, dass es bis heute keine klare Positionierung gibt. Für uns ein Indiz, dass man die eigene Resolution nicht lebt. Die Jugend AG gab sich zwar bemüht, bot ein Mediationsgespräch an – dazu aber kam es nicht. Wer die von ihm ausgewählten Mediatoren sein sollten, darauf haben wir von Detlef Trappe, dem Vorsitzenden der Jugend AG und Lokalpolitiker (CDU, Ortsverband Hermsdorf) bisher keine Antwort. Wie auch auf viele weitere Fragen. Wir haben trotzdem diesem Mediationsgespräch zugestimmt. Es gab ein Terminangebot am 8. Juni, dem Tag des ersten EM-Spiels der Nationalelf… Wir haben trotzdem zugesagt. Hermsdorf hatte keine Zeit. Als nächster Termin wurde uns ein bisher undefinierter im August genannt. Doch Vereinswechsel finden zum 30. Juni statt – wir drängten auf eine rasche Klärung, äußerten den Verdacht auf Zeitspiel – und boten an: Wenn nun die Mediatoren nicht so kurzfristig können – gerne ein Gespräch beider Klubs unter Führung der Jugend AG. Oder die Vereine setzen sich allein an einen Tisch. Kein Interesse. Unseren Hinweis, dass das Thema uns so wichtig sei, dass wir es (wenn es denn nun kein klärendes Gespräch gibt) öffentlich diskutieren oder vom Sportgericht auf „unsportliches Verhalten“ überprüfen lassen wollen (was durchaus mal exemplarischen und damit hilfestellenden Charakter haben könnte) – wird uns nun von Hermsdorf als Drohung ausgelegt. Detlef Trappe schreibt, plötzlich doch noch mit einer Meinung, unser Vorgehen mache ihn „sprachlos“. Bis heute kein Rückruf von ihm, weitere Mails zum Thema wünsche er von uns nicht. Ganz ehrlich: Sprachlos macht uns die Sprachlosigkeit der Jugend AG in dieser Causa – und wie man hier mit einem Mitgliedsverein umgeht, der sich wehren will. Überrascht sind wir aber nicht, wenn man bedenkt, wie sprachlos unsere „Interessenvertretung“ auch schon während der Pandemie war. Deutlich und konstruktiv auf den Punkt bringt es hingegen Mirko Schubert, Präsidialmitglied Jugend beim BFV: „Sowas muss zur Sprache gebracht werden. Lass uns mal gemeinsam nach praktikablen Lösungen suchen, wie man so etwas künftig erschweren (am besten verhindern) kann. Ein Ehrenkodex ist eine Willensbekundung, die leider für niemanden verbindlich ist. Sie klingt gut, ist aber ohne Durchsetzungskraft.“
Wie ist der Ist-Zustand? Es herrscht Eiszeit. Wir haben klar gesagt: Bevor die Verantwortlichen das nicht geklärt haben, gibt es keine sportlichen Vergleiche im Jugendbereich zwischen uns und Hermsdorf. Vor wenigen Tagen gab es einen Leistungsvergleich im Norden, bei dem der Veranstalter das Team des VfB Hermsdorf wieder ausgeladen hat. Mit Blick auf den Konflikt mit Borsigwalde. Wir danken für diese Solidarität, betonen aber an dieser Stelle auch: Es handelt sich hier ausschließlich um einen Konflikt zwischen Borsigwalde und Hermsdorf. Wir werden das allein klären. Irgendwann bestimmt. Aber: Wir wollten uns nicht hinhalten lassen – und machen diesen Fall deshalb öffentlich.
Warum geht es uns? Wer uns kennt: wir jammern nicht, wir kämpfen. So haben wir diese Jugendabteilung mit nunmehr fast 500 Mitgliedern und 25 Teams groß gemacht. Es geht uns nicht um die Spieler – aber um die Kinder in den Trikots. Natürlich hat sich der SC Borsigwalde auch im Jahrgang 2013 binnen weniger Tage neu aufgestellt. Mit weiterhin zwei Teams des Jahrgangs, beide nunmehr mit Lizenztrainern aufgestellt. Man könnte also sagen: alles bestens. Nein. Es geht um den Umgang unter Nachbarvereinen. Und, nochmal: Wir sprechen hier von kleinen Kindern, die sich noch nicht einmal allein die Schnürsenkel zubinden können. Sie hatten bei uns ein fußballerisches Biotop, bevor Erwachsene kamen und aus Eigeninteresse darin herumtrampelten. Wir finden: Diese Erwachsenen sollten sich dafür schämen.
Der Jugendvorstand des SC Borsigwalde 1910:
Matthias Wolf
Jan Fiebig
Kathrin Nowak
Rifat Ergün
Christiane Brunow
Lea de Ridder
Yannik Wiechert
Sophie Herrmann
Und hier die Resolution vom September 2019 in Auszügen: